Bei einer Sitzung der Ministerpräsidenten und Bundesminister geht es wo so oft um die Frage, ob der Lockdown aufrechterhalten oder gelockert werden soll. Mitten in der Diskussion nießt der Bundesgesundheitsminister lautstark. „Ja, diese dämliche Schnupfenviren. Wir fliegen auf den Mond, aber gegen das Schnupfenvirus haben wir immer noch keine Mittel gefunden“, schüttelt Hamburgs regierender Bürgermeister den Kopf.
Die Anwesenden blicken auf. Der Gesundheitsminister tippt wild auf seinem iPad herum. „Stimmt!“, verkündet er euphorisch. „Gegen das Rhinovirus gibt es weder ein Heilmittel noch eine Impfung!“ Euphorie bricht aus. „Wir müssen jetzt schnell und entschlossen handeln! Lockdown!“ Tosender Applaus.
Hektische Betriebsamkeit bricht aus. Das Gesundheitsministerium bestellt im Open-House-Verfahren 80 Millionen Fläschen Schnupfenspray zum Preis von 5,50 Euro pro Stück, freilich ohne sie jemals abzunehmen oder zu bezahlen. Im gleichen Atemzug werden 160 Millionen Päckchen Papiertaschentücher zum Preis von 2,00 Euro / Packung geordert. Am Tag der Bestellung monieren die Linken in einer aktuellen Stunde im Bundestag, dass mit dieser Bestellung den Staaten der Dritten Welt der Zugang zu Papiertaschentüchern praktisch vollständig verwehrt wird. Tags darauf greifen sie in einer Presseerklärung die Bundesregierung an, zu wenige Papiertaschentücher geordert zu haben, da die Bestellung nur für knapp zwei Päckchen pro Bürger reichen würde. Und die seinen nach zwei Tagen aufgebraucht.
Das RKI teilt auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz mit, dass vom Tragen roter Clownsnasen aus Schaumstoff ausdrücklich abgeraten werde. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck verkündet der Virologe und Institutsdirektor an der Charité in Berlin, dass während der Rhinovirus-Pandemie natürlich alle Friseurgeschäfte geschlossen bleiben müssten. Erschütternde Zahlen werden im Verlauf der Pandemie veröffentlicht. Im RKI-Dashboard wird eine 7-Tage-Inzidenz von 30.000 angegeben, was bedeutet, dass von 100.000 Bewohnern 30.000 mit dem Rhino-Virus infiziert sind. Das Rhino-Kabinett erklärt, dass mit einem Ende des Lockdowns frühestens bei einer 7-Tages-Inzidenz von 12,75 gerechnet werden kann.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass nahezu 99,275 Prozent der deutschen Bevölkerung bereits mit dem Rhinovirus infiziert war oder aktuell ist. Aus einer vom Gesundheits- und Familienministerium kofinanzierten Studie geht derweil hervor, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen mit deutlich schwerwiegenderen Krankheitsverläufen zu rechnen haben. So scheint das Virus vor allem die männliche Bevölkerung mit der besonderen Mutation Rhino/M heimzusuchen und zum umgangssprachlich sogenannten Männerschnupfen zu führen. Dieser weist besonders schwerwiegende Krankheitsverläufe auf und zeigt eine deutlich erhöhte Sterblichkeitsrate von 0,0004 Prozent. In Anbetracht der besonderen Brisanz entschließt der Ethikrat, dass es Männern bis zum Ende der Pandemie untersagt ist, ohne triftigen Grund das Haus zu verlassen. Als triftiger Grund gilt allein die Sicherstellung der Bierversorgung. Im Übrigen sind Männer auf die Versorgung durch Frauen oder Amazon.de angewiesen.
Zwischenzeitlich wurde von der Charité ein Rhino-Schnelltest namens „Tempo“ entwickelt. Der Proband muss dabei in ein ‚Tempo‘ rotzen. Ist Schleim zu entdecken, wird sofortige Quarantäne angeordnet. Die Pharmaindustrie verspricht, Impfstoffe, die schon seit Jahrhunderten nicht entwickelt wurden, auch nicht zu liefern, um die Pandemie nicht vorzeitig abzubrechen. Die EU bestellt dennoch nichts. Derweil wird in Großbritannien Nasivin intravenös verabreicht. Die Kanzlerin bittet die Bevölkerung mit Botox-versteinerter Betroffenheitsmine um Verständnis und Besonnenheit in diesen schweren Zeiten.
Wirtschafts- und Finanzministerium beschließen gemeinsam umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Wirtschaftszweige. Künstler uns Soloselbständige erhalten über ein kompliziertes Beantragungsverfahren, welches nach drei Monaten immer noch nicht funktioniert, kostenlose Bibliotheksausweise und Platzkarten für die Tafeln. Gaststätten und Beherbergungsbetriebe verbleiben bei dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Da diese Branchen jedoch aufgrund der andauernden Schließungen von Kostenreduktionen profitieren, wird ihnen ein fiktiver, zu versteuernder Rhino-Gewinn zugerechnet, welcher 50 Prozent unter dem Umsatz der Vorpandemie-Zeiten liegt. Steuer-Stundungen von bis zu drei Monaten werden großzügig zu einem Zinssatz von sechs Prozent gewährt. Die so eingenommen Steuern werden sodann an Großkonzerne ausgekehrt. Zur Finanzierung von Mitarbeiter-Abbauprogrammen.
Max Cooper
www.maxcooper.de verfasst Kurzgeschichten und Romane.
Bevor Sie entscheiden, ob Sie in dieser Situation besser Tempo´s oder Toilettenpapier hamstern, lesen Sie den ganzen Beitrag von Max Cooper in der März-Ausgabe der Network-Karriere.
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