An WhatsApp scheiden sich die Geister. Viele Sender lieben den Dienst, etliche Empfänger hassen ihn. Ich gehöre zu den "Hatern”. Der Grund sind langatmige Sprachbotschaften, bei denen ich minutenlang zu einer passiven Haltung verdammt bin. Was im Privatbereich ein wunderschönes Ritual ist, wenn der Enkel seiner Oma ein paar warme Worte übermittelt, wird im Businessbereich zum lästigen Ärgernis. Gedankensalat für den Empfänger
Natürlich ist es herrlich bequem, wenn ich meine markigen Finger nicht über eine Minitastatur bewegen muss, um eine SMS zu schreiben. Zudem brauche ich mich nicht um die (falsche) Autokorrektur zu scheren. Kurzum: Als Sender spare ich Zeit und Mühe und mute genau dies meinem Empfänger zu: Ich plaudere einfach drauf los und werfe ihm meine unsortierten Gedanken vor die Füße. Da hast du meinen Gedankensalat, mach was draus.
Mein persönlicher WhatsApp Knigge für die berufliche Kommunikation: Überlegen Sie zweifach, ob bei diesem Anliegen wirklich eine Sprachnachricht “notwendig” ist. Nach meiner eigenen Erfahrung ist in 95 Prozent der Fälle eine kurze SMS die bessere Wahl: Der Inhalt kann im beruflichen Alltag leichter aufgenommen werden und ich bekomme deutlich schneller eine Antwort.
Viele Geschäftsreisende sind häufig unterwegs, mitunter in unterschiedlichen Zeitzonen und nutzen WhatsApp während in Deutschland Nacht ist. Meine Empfehlung: Schicken Sie Ihrem Geschäftspartner in dieser Zeit keine Nachrichten, es ist nichts ärgerlicher als wenn Ihr Kunde um 3 Uhr von einem Signalton in seinem Schlaf gestört wird.
Das Glück der Unerreichbarkeit
Zum Schluss noch der Hinweis auf ein lesenswertes Buch von Miriam Meckel: Das Glück der Unerreichbarkeit. Die Autorin hat bereits vor Jahren erforscht, was passiert, wenn Nachrichten nicht sofort beantwortet werden. Das Ergebnis: Nichts!
Daher lasse ich mich von der täglichen Flut von Nachrichten nicht ständig unter Antwortdruck setzen. Wer mir ohne Anlass eine ewig lange Sprachnachricht schickt, muss damit rechnen, dass ich sie erst abends oder am nächsten Tag anhöre und dann beantworte.
Rainer Wälde
Mitbegründer und Vorsitzender des Deutschen Knigge-Rates