Mit Urteil vom 24.01.2019 zum Aktenzeichen 022 O 96/18 -noch nicht rechtskräftig- hat das Landgericht Münster entschieden, dass Vertriebspartnern im Strukturvertrieb durch den Vertriebspartnervertrag die Tätigkeit für ein anderes Strukturvertriebsunternehmen untersagt werden kann, und zwar auch dann, wenn beide Strukturvertriebsunternehmen, für die der Vertriebspartner tätig wird, auf gänzlich unterschiedlichen Geschäftsfeldern agieren. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde.
Der dortige Kläger, der sich eine eigene Vertriebsstruktur aufgebaut hatte, arbeitete als Vertriebspartner und Führungskraft mit einem Unternehmen zusammen, das vornehmlich Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetikartikel und Parfum vertreibt. Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Unternehmen war es dem Kläger untersagt, dazu konkurrierende Produkte zu vertreiben. Es war ihm weiter untersagt, für ein anderes Strukturvertriebsunternehmen tätig zu werden, auch wenn zwischen den Produkten beider Unternehmen kein Konkurrenzverhältnis bestand. Nachdem das Unternehmen, mit dem der Kläger zunächst zusammenarbeitete, die Beklagte in diesem Rechtsstreit, erfahren hatte, dass der Kläger für ein weiteres Strukturvertriebsunternehmen tätig geworden war, hat es den Kläger abgemahnt.
Da der Beklagte seine Tätigkeit für das andere Unternehmen nicht einstellte, hat die Beklagte ihm die außerordentliche fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund ausgesprochen. Der Kläger begehrte im Rechtsstreit die Feststellung, dass die ausgesprochene fristlose Kündigung das Vertragsverhältnis nicht beendet habe. Er hat die Ansicht vertreten, die ausgesprochene fristlose Kündigung sei unwirksam, weil es einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung nicht gegeben habe. Dies insbesondere deshalb nicht, weil das weitere Strukturvertriebsunternehmen, für das er tätig geworden war, in keinem Konkurrenzverhältnis zur Beklagten stand, weil beide Unternehmen in gänzlich anderen Geschäftsfeldern tätig waren.
Dem ist das Landgericht Münster nicht gefolgt. Es hat vielmehr erkannt, dass die Tätigkeit für ein anderes Strukturvertriebsunternehmen auch ohne Wettbewerbsverhältnis beim Produktabsatz bei objektiver und gerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen wichtigen Grund darstellte, der der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum Kläger unzumutbar machte und somit zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigte.
Das Wettbewerbsverbot, für ein anderes Strukturvertriebsunternehmen tätig zu werden, richte sich vor allem gegen die Gefahr, dass eine Führungskraft versucht, qualifizierte und erfahrene Vertriebspartner ihrer Struktur für das fremde Strukturvertriebsunternehmen anzuwerben. Diese Gefahr sei umso größer, weil die Führungskraft mit den Vertriebspartnern ihrer Struktur in engem Kontakt steht und Tätigkeiten wie Werbe-, Teamaufbau-, Koordinations- und Schulungstätigkeiten grundsätzlich auch im Netzwerk eines anderen Strukturvertriebs erbracht werden können.
Diese Gefahr bestehe unabhängig davon, welche Produkte das fremde Unternehmen oder welche Produkte der Kläger für dieses Unternehmen vertreibt. Wenn ein Vertriebspartner oder eine Führungskraft der Beklagten noch für einen anderen Strukturvertrieb tätig wird, bestehe weiter die Gefahr, dass dieser in seiner Tätigkeit für sein bisheriges Unternehmen nachlässt oder diese sogar vollständig einstellt, insbesondere, wenn die Verdienstmöglichkeiten bei dem fremden Strukturvertriebsunternehmen besser erscheinen. Durch das alles würden berechtigte Interessen des Unternehmens massiv beeinträchtigt, was nicht hingenommen werden müsse.
Diese Entscheidung des Landgerichts Münster ist zu begrüßen. Sie berücksichtigt zutreffend die besonderen Interessen von Unternehmen und Vertriebspartnern im Strukturvertrieb.
Dr. Hans-Jürgen Buchmüller
Brandi Rechtsanwälte