Wir sind Hierbleiber, wie unser Kolumnist Gunter Dueck meint, und drücken uns vor den Konsequenzen der Digitalisierung. Weil wir unsere Besitzstände nicht aufgeben wollen. Dabei wäre es allerhöchste Zeit, endlich mal konsequent aufzubrechen. Immer eindringlicher wird gefragt: „Was tun wir angesichts der rasanten technologischen Entwicklung, insbesondere der Digitalisierung? Verlierer pflastern ihren Weg!“
Ach ja, dabei ist die Entwicklung gar nicht so rasant, sie wurde nur entsetzlich lange verlacht und möglichst ignoriert, am besten zu jeder Zeit für schädlich erklärt. Dadurch wurde Zeit gewonnen. Die Ablehnungsmauer wirkte wie ein Deich angesichts der schon einsetzenden Flutwellen. Ich habe oft wie ein Prophet weinend dabeigestanden – ich habe das kommende Unheil an jede Wand geschrieben. Nun, wo die Deiche brechen, werde ich fast aggressiv aufgefordert, nicht immer nur weitere Deichbrüche vorherzusagen – die sind ja nun wirklich da –, sondern, bitte schön, einfache und durchführbare Ratschläge vorzuhalten, wie mit den derzeitigen Überschwemmungen umzugehen wäre, die viele Unternehmen im Schlaf überrascht hätten. Aber es sollten nur Ratschläge sein, die keinen Verlierer hinterlassen – jeder Besitzstand müsse gewahrt werden. Ja, und der Rat müsse schnell wirken.
Bei solcher beharrlich-verbissenen Forderung nach Besitzstand wird meist an Materielles gedacht (kein Lohnerhöhungsverzicht, nicht umziehen müssen); dabei scheint der größte Besitzstand der eigene feste und unveränderliche Beruf zu sein, dem man doch einst mehr oder weniger zufällig über den Weg lief. An dieser Stelle aber ist heute das große Unwetter. Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind viel zu schwache Vokabeln, wo doch viele Berufe ganz verschwinden werden. Sagte neulich ein Steuerberater zu mir: „Mein Beruf ist der mit dem allergrößten Fortbildungsanteil, denn weil sich die Gesetze so schnell ändern, muss immer anders verbucht werden.“ Darauf ich: „Und wenn Gesetzesänderungen bald nur ein Softwareupdate bedeuten?“ In diesem Sinne wird Weiterbildung als Fortsetzung des gewohnten Weges gedacht, wo der doch in vielen Fällen nur jäh endet.
Wir drücken uns vor den Konsequenzen der Digitalisierung und schimpfen auf Roboter mit künstlicher Intelligenz (KI), die uns die Arbeit wegnehmen und uns wohl bald zu Dienern machen. Diener? Wir spüren also, dass wir uns selbst umbilden müssen – aber wir tun nichts.
Autonome Fahrzeuge, der Fotovoltaikeinzug, Elektromotoren und die Digitalisierung der Staatsverwaltung erfordern einen komplett neuen Plan, wie wir den Umzug in die neue Welt bewerkstelligen wollen. Schiffe bauen ist angesagt, und dazu wäre die Erkundung einer neuen Heimat schon einmal ganz gut.
Wohin wollen wir? Die Antwort ist heute noch mehrheitlich: „Hierbleiben!“ Wir drücken uns vor den Konsequenzen der Digitalisierung und schimpfen auf Roboter mit künstlicher Intelligenz (KI), die uns die Arbeit wegnehmen und uns wohl bald zu Dienern machen. Diener? Wir spüren also, dass wir uns selbst umbilden müssen – aber wir tun nichts.
Prof. Dr. Gunter Dueck