Ethik lohnt sich wirtschaftlich nicht, weil wir als Kunden zu viel tolerieren

Wir fragen uns, warum betrogene Diesel-Besitzer nicht entschädigt werden, wo es doch in Amerika so gehandhabt wird. Wir fragen uns, warum keine Sammelklagen zugelassen werden – was der Gesetzgeber erlauben könnte. Wir fragen uns, warum Niedersachsen als VW-Hauptaktionär nicht einfach für die Fehler einzustehen befiehlt – einfach so, weil dann dem naiven Glauben an Gerechtigkeit Genüge getan würde.

Dieselben Politiker, die die Industrie vor Konsequenzen schützen, bis alles verjährt ist, wüten lieber gegen Google oder Facebook. Das mag zum Beispiel angesichts des Datenskandals bei Facebook in vieler Hinsicht richtig sein, aber warum kehren wir nicht vor der Haustür?

 

Resignieren wir einfach so, wenn Großbanken Zinsen manipulieren? Ist es okay, wenn in einem Kilo Kaffee einiger Marken immer genau 50 Gramm Wasser und 20 Gramm Pflanzenfaserreste enthalten sind? Das ist erlaubt, weil sich Wasser und Reste bei der Produktion vielleicht nicht vermeiden lassen. Wenn aber immer GENAU so viel drin ist wie erlaubt, stellt sich mir die Frage, ob man nicht stets so viel willentlich nachschüttet, wie erlaubt ist.

 

Ist es okay, wenn Sie von einer Bank Fondsanteile verkauft werden und dabei einen Ausgabeaufschlag von bis zu 5,5 Prozent zahlen (derzeit „Zinsen für 200 Jahre“)? Die großen Fonds kann man in der Regel ohne jeden Ausgabeaufschlag über die Börse kaufen. Schauen Sie die Kurse der Fonds zum Beispiel im Netz bei der comdirect bank an, dort finden Sie den offiziellen Ausgabe- und Rücknahmepreis und unten die Marktpreise an den verschiedenen deutschen Börsen.

 

Die Firmen „erklären“ meist, dass besonders ihr Markt zu hart ist, als dass man sich naiver Ethik beugen könnte. Die Unternehmen erkennen aber auch, dass Unethik von den Kunden nicht abgestraft wird. Kurz: Ethik lohnt sich wirtschaftlich nicht, weil wir als Kunden zu viel tolerieren.

 

Ist Ethik das Fundament, auf dem wir mit festen Füßen stehen, oder treten wir Ethik mit Füßen? Faktisch tolerieren wir, dass alles erlaubt sein mag, was nicht vor Gericht unterliegt – das verlor und muss dann verschwinden, aber auch das ächten wir eigentlich nicht; es verlor eben nur. Wozu studiert man dann an der Uni Wirtschaftsethik? Warum lassen wir uns selbst in Fachgeschäften beraten und kaufen dann billiger bei Amazon? Weil wir uns selbst all das erlauben, was nicht vor Gericht verliert. Wir tolerieren leider auch uns selbst.

 

Prof. Dr. Gunter Dueck