Dies hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) (Urteil vom 5. Juli 2017, AZ: VIII ZR 163/16) aufgrund einer Klage der Verbraucherzentrale NRW entschieden. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stromio GmbH, die kein entsprechendes Kündigungsrecht vorsah, haben die Richter für unwirksam erklärt.
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"Jetzt ist höchstrichterlich geklärt, dass Stromanbieter ihre Vertragsklauseln, die das Sonderkündigungsrecht des Kunden bei Preiserhöhungen aufgrund dieser 'staatlichen' Faktoren vielfach ausschließen, nun nachbessern müssen", unterstreicht Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, die grundsätzliche Bedeutung des Urteils. Kunden können nun Geld aus Preiserhöhungen, die sich auf solche unzulässigen Klauseln stützen, zurückverlangen.
Im Kleingedruckten behalten sich einige Stromanbieter vor, dass Kunden ihre Verträge nicht kündigen und somit nicht den Anbieter wechseln dürfen, wenn Preise wegen gestiegener Steuern, Abgaben
oder Umlagen angehoben werden. Eine solche Klausel hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf der Stromio GmbH bereits im Juli 2016 (AZ. I-20 U 11/16) untersagt. Zuvor hatten schon der Europäische
Gerichtshof und der BGH festgestellt, dass Verbraucher bei Preisänderungen ein fristloses Kündigungsrecht haben. Streitig war aber noch, ob dies auch dann gilt, wenn der Stromlieferant nur die
ihm selbst auferlegten "hoheitlichen Belastungen" an die Kunden weitergibt. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte argumentiert, der Gesetzgeber habe dies für Kunden in der Grundversorgung
so geregelt. Mithin handele es sich bei "hoheitlichen Belastungen" um Kostenelemente bzw. Kalkulationsbestandteile des Strompreises, bei deren Änderung auch Sonderkunden ein Sonderkündigungsrecht
haben. Eine Revision beim BGH hatte das OLG ausdrücklich zugelassen.
Die Karlsruher Richter haben sich in ihrem Urteil nun auf die Seite der Kunden gestellt und entschieden, dass derartige Preisänderungen von § 41 Absatz 3 Energiewirtschaftsgesetz erfasst werden.
Demzufolge müssten die Kunden rechtzeitig über eine Preiserhöhung informiert werden; sie könnten dann zudem ihren Stromliefervertrag zum Zeitpunkt der Änderung kündigen. Die Folgen für
Verbraucher: Wer rechtzeitig Widerspruch gegen eine Jahresrechnung eingelegt hat, kann nun auf Erstattung pochen und Preiserhöhungen, die auf solch unwirksamen Klauseln beruhen,
zurückverlangen.
Übrigens: Auch wer seiner Jahresrechnung wegen unwirksamer Preisanpassungsklauseln bisher noch nicht widersprochen hat, kann noch auf Erstattung hoffen: Einer Rechnung kann binnen drei Jahren
rückwirkend auf den Tag genau widersprochen werden, an dem sie zugegangen ist: Gegen eine Jahresrechnung vom 15. Juli 2014, die am 18. Juli zugestellt wurde, also noch bis zum 18. Juli
2017.
Mit einem Musterbrief hilft die Verbraucherzentrale bei der Formulierung des Widerspruchs (www.verbraucherzentrale.nrw/stromio-gmbh). Dass sich der Widerspruch lohnen kann, zeigt das
Rechenbeispiel: Die EEG-Umlage von 5,28 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh) in 2013 stieg auf 6,24 ct/kWh in 2014. Nach einer leichten Senkung (auf 6,17 ct/kWh im Jahre 2015) gab es dann einen
weiteren Anstieg auf 6,35 ct/kWh in 2016.
Aktuell (2017) beträgt die EEG-Umlage 6,88 ct /kWh. Wenn ein Stromlieferant daneben auch alle anderen Umlagen (nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und der Strom-Netzentgeltverordnung, die
Offshore-Haftungsumlage und die Umlage für abschaltbare Lasten) konsequent weitergegeben hat, kann ein Kunde bei rechtzeitigem Widerspruch gegen Rechnungen aus 2014 (in denen Preiserhöhungen zum
Frühjahr 2014 enthalten sind) bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh für den Zeitraum 2013 bis 2017 etwa 150 Euro zurückverlangen, bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh etwa 220 Euro.
Wichtig: Auch bei rechtzeitigem Widerspruch müssen Stromkunden die dreijährige Verjährungsfrist beachten. Ende 2017 verjähren Ansprüche aus Rechnungen von 2014. Kunden, die Geld aus diesen
Rechnungen zurückhaben möchten, bleibt noch bis Ende 2017 Zeit, die Verjährung zum Beispiel durch eine Klage zu verhindern.
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.
Verbraucherzentrale NRW