Anglerlatein – Profi-Tipps für Kalt- und Telefonakquise (Teil 1)

Als junger Kerl gab es nichts, dass ich so richtig gut konnte. Es gab nichts, dass mich zum zukünftigen Star machte. Aber ich hatte das Glück, immer wieder auf die richtigen Menschen zu treffen. Meine Englischlehrerin zum Beispiel, sie gab mir einen der besten Tipps meines Lebens: "Martin, dein Englisch ist miserabel. Geh ein Jahr nach Amerika, sonst wird das nie besser."

Also ging ich zu meinem Vater und sagte, ich wolle nach Amerika. "Wer bezahlt das?" war die Antwort. Ich musste Geld beschaffen, besuchte meine Oma und führte – in der Nachbetrachtung – eines der wichtigsten Verkaufsgespräche meines Lebens. Sie gab mir die für mich damals unglaubliche Summe von 12.000 Mark – so viel sollte das Ganze kosten.

 

Zuerst aber sollte ich noch einen Eignungstest machen. Am Ende sagte der Prüfer zu mir: "Junger Mann, ist ja grauenhaft. Wie wollen Sie denn mit so einem miserablen Englisch dort überleben? – Sie sind durchgefallen." Da stand also das Nein mitten im Raum und wollte mich nicht vorbeilassen. Ich dachte: Ich fahr nicht nach Amerika, aber eigentlich ist das gar nicht schlimm. Denn nicht in Amerika bin ich auch jetzt schon!

 

Um es kurz zu machen: Ich fuhr nach Amerika.

 

Ich erzähle das, weil jeder gute Verkäufer so einen "Amerika-Moment" braucht. Das ist der Moment, in dem du umschaltest von der Angst zu versagen, bloßgestellt zu werden, abgelehnt zu werden und du anfängst, auf den eigenen Willen zu hören. Hinterher regierst du selbst dein Leben.

 

Bei mir war das so, dass ich zu Beginn meiner Karriere noch ziemlich unsicher war. Meine große Selbstsicherheit, die ich zur Schau trug, war nicht wirklich auf gutem Boden gewachsen. Mein Selbstwertgefühl war in Wahrheit ziemlich gering. Die laute, bisweilen nassforsche oder freche Art war aufgesetzt. Es funktionierte ziemlich gut, aber ich bekam natürlich auch manchmal Gegenwind und Ablehnung.

 

Je selbstsicherer mein Gegenüber, desto leichter wurde ich entlarvt. Dass mein Selbstwertgefühl noch klein war, zeigte sich zum Beispiel darin, dass ich ein Nein, Ablehnung, Niederlagen, Absagen nur ganz schwer ertragen konnte. Ich nahm das sehr persönlich. Wenn es dabei geblieben wäre, wäre ich im Verkauf nicht alt geworden. Wer Ablehnung im Verkauf persönlich nimmt, wird irgendwann manisch-depressiv und freundet sich mit Jack Daniels an. Oder er wird zum Bittsteller und Auftragsbettler beim Kunden. Ich arbeitete stattdessen an mir, lernte aus den Misserfolgen, wuchs an den Erfolgen und wurde stärker.

 

Und plötzlich kannst du der Angst ins Auge sehen.

 

Genauso wie Tiere merken, wenn einer Angst hat, merkt auch der Kunde ganz genau, wenn Ihr Interesse an ihm geheuchelt und vorgespielt ist. Er spürt ganz genau, ob Sie sich in dem Verkaufsgespräch unwohl fühlen und signalisieren, dass Sie in Wirklichkeit schnell wieder gehen wollen. Er spürt genau, ob Sie hier sind, weil Sie den Umsatz dringend brauchen, oder ob Sie ihn gerne machen wollen.

 

In allen Fällen ist die Chance groß, dass Sie verlieren werden. Treten Sie dem Kunden aber auf Augenhöhe entgegen – freundlich, bestimmt und offen – dann haben Sie eine echte Chance auf Erfolg. Und Augenhöhe – das geht nur mit Selbstwertgefühl. Sonst ist die Selbstsicherheit überzogen hoch.

 

Beobachten können Sie das beispielsweise gut im Fernsehen: Da gibt es ein paar Fernsehgesichter, die legen eine grenzenlose Selbstsicherheit an den Tag. Die leben davon, andere Menschen zu verletzen, und zwar bisweilen heftig, indem sie sie an ihren Schwachpunkten angreifen und fertigmachen. Das Publikum lacht und grölt vor Schadenfreude und Verblüffung über diese Dreistigkeit. Ich kann mich da aber nur fremdschämen. Denn ich sehe diesen Leichtgewichten ihr geringes Selbstwertgefühl an der Körpersprache an. Wer es nötig hat, seine Selbstsicherheit zur Schau zu stellen, indem er Menschen, die weniger selbstsicher sind, durch den Kakao zieht, ist ein armes Würstchen. Wer keinen Respekt vor anderen hat, der hat keinen Selbstrespekt. Bei jedem von uns gilt: Was wir über andere sagen, sagt etwas über uns selbst.

 

Martin Limbeck

www.managementtraining.de